Der tŠgliche Blick des Christen auf Maria

 

Dieses  Thema im Rahmen des Gesamtthemas der Tagung "Maria im Alltag des Christen" ist mir zugewiesen worden.

1. Ich mšchte das Thema "Der tŠgliche Blick des Christen auf Maria" zuerst umdrehen und einleitend kurz Ÿber den "tŠglichen Blick Marias auf die Christen sprechen. Denn wir Christen glauben doch daran, dass uns Maria tŠglich anblickt oder beten jedenfalls darum im "Salve Regina", wo es ausdrŸcklich hei§t: "...eja ergo, advocata nostra, illos tuos misericordes oculos ad nos convŽrte..." Wšrtlich Ÿbersetzt: "Wohlan denn, du, unsere FŸrsprecherin, jene deine barmherzigen Augen zu uns wende..." Die dogmatische Berechtigung dieser Bitte, dass Maria ihre barmherzigen Augen zu uns wenden mšge, nehmen wir aus dem Dogma der "Assumptio corporea BMV". Denn wenn Maria in wahrer, wenn auch verklŠrter Leibhaftigkeit  Himmel weilt, demnach auch mit ihren Augen in der himmlischen Herrlichkeit eilt, dann dŸrfen wir daraus folgern, dass sie diese ihre Augen zum Sehen benŸtzen kann und auch wirklich dazu benŸtzt und auf jene herabschaut , die ihr  gšttlicher Sohn Jesus Christus ihr vom Kreuz herab testamentarisch als Kinder anvertraut hat.

Beachten wir dann, dass diese Augen Marias als  ãmiseric—rdes  —culiÒ bezeichnet werden und zwar ãilli miseric—rdes —culi tuiÒ. In  einem Kommentar  zum "Salve Regina" (von J. Dillersberger, Die Stimme deines Gru§es, Salzburg 1936, S. 126-127) las ich: "Indem wir zu 'deine (Augen)' noch 'jene' hinzufŸgen, wollen wir noch bekrŠftigen, dass wir es so gut wissen, wie barmherzig ihre Augen blicken kšnnen. Als hŠtten wir sie schon so oft gesehen, damals und damals, als wir zu ihr schon beteten - oder als hŠtten uns schon viele Menschen davon erzŠhlt – von   j e n e n   Augen! Jene Augen also, die wir nie vergessen kšnnen, die keiner vergisst, der je ihre GŸte gesehen und ihre Barmherzigkeit...Wir wissen freilich nicht, wie vielen Heiligen sich die Gottesmutter wirklich zeigte, wie vielen sie wirklich den wunderbaren Glanz ihrer barmherzigen Augen schauen lie§. Aber wir haben genug davon gehšrt. Von den allerŠltesten Zeiten des Christentums gelangen die Stimmen zu uns, die ihre Barmherzigkeit preisen. Da gibt es keinen Zweifel. Wenn sie uns anblickt, dann kann dieser Blick nur 'jener' bekannte und vielgepriesene Blick der Barmherzigkeit und der hilfreichen Liebe sein. Wie einst ihre Augen die Not der Hochzeitsleute auf der Hochzeit zu Kana gar schnell entdeckten und wie 'jene' Augen sofort sich dem zuwandten, der allein hier helfen. konnte, so soll sie es auch bei uns machen.

Maria soll nur unsere Not anschauen, dann wird sie schon selber wissen, was zu tun ist, wie sie es damals wusste bei der Hochzeit zu Kana. Das alles liegt in dem Wort 'jene barmherzigen Augen'... jene Augen - welch eine Sehnsucht erwacht da, dass jene Augen uns anblicken: Augen, die sofort alles verstehen, Augen, die verzeihen, Augen, die helfen! Sehnsucht brennt da auf,    j e n e    Augen zu schauen, jenen milden, wundersamen Blick auf sich ruhen zu fŸhlen, der so unsagbar wohlgetan hat! In den Augen eines Menschen liegt seine ganze Seele, sein ganzes Wesen. Aus den Augen steigt es herauf, aus allen Tiefen und verborgenen GrŸnden des Herzens. Was haben Augen - wortwšrtlich einmal: Augen-Blicke - in einem Menschen schon anrichten kšnnen. Wie unheimlich und gefŠhrlich kšnnen Augen fŸr die Menschen werden! Wie viel Unschuld ist zugrunde gerichtet worden - durch Augen! Was alles verraten oft die Blicke einer Frau! Unheil Ÿber Unheil ist oft schon von solchen Blicken ausgegangen. Trost Ÿber allen Trost, zu wissen um jene Augen - um die €ugen eines Menschen, von dem nur Gutes ausgeht, von dessen Blick unser Wesen gesundet! Wenn wir das alles bedenken, dann begreifen wir die Sehnsucht, die aus der Liedbitte spricht: ãWende, ach, wende voll heiliger Ruh – deine barmherzigen Augen uns zu!Ò

Dass jene Augen Marias barmherzige Augen sind, verstehen wir – so erklŠrt es dieser genannte Kommentar zum Salve Regina - am besten aus der Antithese zu den oft so unbarmherzigen Augen von uns unvollendeten und unvollkommenen Menschen: Wir sehen oft den Splitter im Auge des Bruders, den Balken im eigenen Auge sehen wir nicht. (vgl. Mt 7,3) Ja, die Augen der Menschen kšnnen oft so unbarmherzig richten und verurteilen, kšnnen so scharfsichtig sein beim Entdecken der Fehler -    a n d e r e r   ! Wie viele Menschen wŠren nicht so schlecht geworden, wenn die Mitmenschen nicht gleich so unbarmherzig Ÿber sie den Stab gebrochen hŠtten!

Von daher begreifen wir den erschŸtternden Sinn der lateinischen Worte "illos tuos miseric—rdes —culos ad nos convŽrte". Jene Augen kšnnen nicht unbarmherzig sein, kšnnen nicht unbarmherzig richten und verurteilen. Gott sei Dank, dass es jene ganz barmherzigen Augen gibt, die nicht verurteilen und nicht verdammen...

Da kann man dann nur den italienischen DichterfŸrsten Dante zitieren mit jenen Worten, die jetzt auch in den lateinischen Laudeshymnus im Officium der "Memoria sanctae Mariae in sabbato" Ÿbernommen worden sind: "In te miseric6rdia, in te magnificentia, tu bonitatis cumulas, quidquid creata possident."("In dir ist Barmherzigkeit, in dir ist Mitleid, in dir ist Gro§mut, in dir vereinigt sich, was immer in einem Geschšpf an Gutem ist.")

Wenn das alles stimmt, dann haben wir schon gar manche GrŸnde da-fŸr vor uns, da§ der Christ tŠglich seinen Blick auf Maria richten soll.

2. "Der tŠgliche Blick des Christen auf Maria." Was ist nun darŸber im Einzelnen und Konkreten weiter zu sagen?

In der Beantwortung dieser Frage mšchte ich zunŠchst noch bei den zitierten Worten aus dem "Salve Regina" bleiben, wo wir an die Mutter der Barmherzigkeit die Bitte richten: "illos tuos miseric—rdes —culos ad nos convŽrte", dann mŸssen wir - antithetisch auf uns blickend und unsere eigene Lieblosigkeit und Unbarmherzigkeit feststellend - den tŠglichen Blick auf Maria sicher zunŠchst einmal so verstehen, dass wir alle, die wir so oft und so leicht lieblos und unbarmherzig den Mitmenschen gegenŸber sind in unserem Reden, Urteilen und Handeln, den Blick auf die Mutter der Barmherzigkeit so notwendig wie das tŠgliche Brot brauchen, um von ihr Barmherzigkeit zu lernen.

Gewiss, Jesus hat am Ende des Gleichnisses vom unbarmherzigen Knecht zuletzt gefordert: ãSeid barmherzig, wie euer Vater im Himmel barmherzig ist!Ò (Lk 6,36); der Gedanke an den barmherzigen Vater-Gott ist sicher ganz wichtig, und es war sicher ein wertvoller Gedanke des vor zehn Jahren (1978) plštzlich nach 33-tŠgigem Pontifikat verstorbenen gŸtigen Papstes Johannes Pauls I., dass er - und nicht etwa erst feministische Theologinnen - uns daran erinnert hat, wie Gott nicht blo§ Vater, sondern auch Mutter ist, aber konkret verwirklicht und anschaulich sehen wir halt doch die MŸtterlichkeit mit all den darin implizierten Tugenden der GŸte, Liebe und Barmherzigkeit erst beim Blick auf Maria. In ihr begegnet der Mensch Tag fŸr Tag nicht blo§ dem Schšnen und Reinen in anschaulicher Weise und Ÿberhaupt dem Edelmenschentum, wie es der Schšpfergott im Menschen geplant und bei der Erschaffung des Menschen ursprŸnglich verwirklicht hat; in Maria begegnen wir Tag fŸr Tag auch dem MŸtterlichen an Gott, seiner GŸte und Barmherzigkeit. Und dieser Blick tut uns so not, um immer wieder wegzukommen von jener lieblosen HŠrte und Unbarmherzigkeit, die das Menschenleben und das menschliche Zusammenleben oft so unertrŠglich machen.

Der DichterfŸrst Goethe mit seinem bekannten Wort "Das ewig Weibliche zieht uns hinan", hat beim Tod seines Dichterkollegen und Freundes Friedrich Schiller gesagt: "Und unter ihm in wesenlosem Scheine lag, was uns alle bŠndigt, das Gemeine." Weder von Fr. Schiller noch von sonst einem edlen Menschen trifft das zu, sondern nur von jener, die wir mit der Kirche "Immaculata" und "tota pulchra" nennen: "Unter ihr in wesenlosem Scheine lag, was uns alle bŠndigt, das Gemeine."

Zu ihr mŸssen wir darum aufschauen, und zwar tŠglich. Das ist darum sicher der erste Grund, warum wir an keinem Tag den Blick auf Maria unterlassen, sondern ihn tŠglich auf sie richten sollen: ihr strahlendes Beispiel, ihr einzigartiges Vorbild.

"Der tŠgliche Blick des Christen auf Maria". Gibt es nicht noch weitere GrŸnde dafŸr als nur den einzigartigen Vorbildcharakter Mariens, zumal jeder Christ zum stŠndig ihm aufgetragenen Christ-werden ein strahlkrŠftiges Leitbild und Vorbild braucht? Ja, ein weiterer Grund fŸr diesen tŠglichen Blick auf Maria liegt in der Tatsache, dass sie uns allen Mutter ist.

Weil sie unsere Mutter ist, sollen wir tŠglich unseren Blick auf sie richten. Kinder, Sšhne und Tšchter, blicken die Mutter an, schauen ihr in die Augen und sagen ihr: "Mutter, wir haben dich lieb, wir wollen dir keine Schande machen, hilf uns! Und wenn wir den Vater gekrŠnkt haben, weil wir uns schlecht benahmen, so legÔ du FŸrsprache fŸr uns ein, damit der Vater wieder gut ist, allen Groll ablegt, uns wieder gern hat.Ò

Darf man solch menschliche †berlegungen nicht auf unser VerhŠltnis zu Maria anwenden, sofern sie wirklich unsere Mutter ist? Dass sie das ist, lesen wir aus den Worten Christi am Kreuz "Siehe deine Mutter" an den JŸnger, den Jesus lieb hatte, heraus (Joh 19,26-27). Diese Deutung des genannten Jesuswortes hat aufs Neue wieder Papst Johannes Paul II. lichtvoll in seiner Enzyklika "Redemptoris mater" bestŠtigt, wo er vom "Kreuzestestament" Jesu schreibt, in welchem der Herr uns seine Mutter testamentarisch vermacht hat. Der Papst bemerkt dort in der Nr.23: "Die Mutterschaft Mariens allen Menschen gegenŸber geht aus der endgŸltigen Vollendung des šsterlichen Geheimnisses des Erlšsers hervor. Die Mutter Christi, die in der unmittelbaren Reichweite dieses Geheimnisses steht, das den Menschen - jeden einzelnen und alle - umfasst, wird diesem - jedem einzelnen und allen - als Mutter gegeben. Dieser Mensch zu FŸ§en des Kreuzes ist (zunŠchst) Johannes,' der JŸnger, den Jesus lieb hatte', aber nicht er allein. In Anlehnung an die Tradition zšgert das II. Vatikanische Konzil nicht, Maria 'Mutter Christi und Mutter der Menschen' zu nennen...Diese 'neue Mutterschaft Mariens', aus dem Glauben gezeugt, ist also eine Frucht der 'neuen' Liebe, die in Maria unter dem Kreuz, durch ihre Teilnahme an der erlšsenden Liebe des Sohnes zur vollen Reife gekommen ist."

Der Papst spricht hier von der 'neuen' Liebe, von der 'neuen' Mutter-liebe Mariens. Man kšnnte dies auch als †berschuss an Mutterliebe im Herzen Mariens sehen. Sie konnte auf Golgotha ihrem vielgeliebten, einzigen Kind, ihrem Sohn nicht mehr helfen und nicht mehr ihre Liebe spŸrbar zeigen. Wo sollte sie nun gewisserma§en hin mit dem †berschuss an Mutterliebe in ihrem mŸtterlichen Herzen? Da sagte der gekreuzigte Sohn zu ihr: "Mir kannst du jetzt nicht mehr als Mutter dienen, da der Vater will, dass ich den Kelch des Leidens bis zur Neige austrinke. Aber siehe da dein Sohn! Alles, was ich von dir, Mutter, an natŸrlichen Rechten fŸr mich beanspruchen kšnnte, das Ÿbertrage ich auf meinen LiebesjŸnger Johannes und in ihm auf alle Menschen, die ich dir an meiner Statt als Kinder gebe."

Konnte Maria diese testamentarische VerfŸgung ihres Sohnes unberŸcksichtigt lassen? Unmšglich! So wei§ Maria, was sie mit dem †berschuss ihrer Mutterliebe in ihrem unbefleckten Herzen anfangen soll. Sie Sie hat jetzt Kinder genug, die hilfsbedŸrftig sind, denen sie beistehen und an die sie ihre Mutterliebe verschwenden soll und kann.

Deswegen ist unser Vertrauen in Maria so gro§, weil sie, die Schmerzensreiche unter dem Kreuz, wie es ihr Sohn letztwillig verfŸgt hat, unsere Mutter geworden ist.

Ist es nicht bei einer wirklich guten Mutter schon so, dass mit jedem Kind, das sie in Wehen gebiert, ihre Mutterliebe nicht abnimmt, sondern gleichsam auch neu geboren wird? Ich habe das in der Seelsorge an so manchen MŸttern,  aber vorher schon an der eigenen, erlebt: beim 12. Kind erwachte nochmals genauso stark ihre fast unerschšpfliche Mutterliebe wie fŸr die vorausgehenden 11 Kinder. Bei Maria ist dies nicht anders, sondern wohl in noch gesteigertem Ma§ der Fall: sie fŸhlt mit jedem ihrer Kinder so, als wŠre es ihr einziges. Und noch etwas stellen wir hier fest: Bei einer wirklich guten Mutter ist die Mutterliebe einem leidenden Kind gegenŸber besonders gro§, so wie mir eine ehemalige Studentin gestand: "Herr Professor, ich habe meine fŸnf Kinder alle gern, am liebsten aber ist mir das kranke, mongoloide Kind." Ob Šhnliches nicht wieder in gesteigertem Ma§ bei der Schmerzensmutter Maria zutrifft? Dass sie gerade um jene, die auf Wegen der SŸnde und des Lasters wandeln und in Gefahr sind, auf ewig verlorenzugehen, in besonders gro§er Mutterliebe besorgt und bekŸmmert ist, sehen wir etwa beispielsweise an der Tatsache, dass Maria in Fatima das Gebet um die Bekehrung der SŸnder besonders eindringlich empfohlen, ja fšrmlich gefordert hat, als sie bei der dritten Erscheinung sagte: "Opfert euch fŸr die SŸnder und sagt oft, besonders aber, wenn ihr ein Opfer bringt: O Jesus, aus Liebe zu dir und fŸr die Bekehrung der SŸnder und als Genugtuung fŸr die Beleidigungen, die meinem unbefleckten Herzen zugefŸgt werden!"

Wenn es mit der Mutterliebe Mariens so bestellt ist, dann geziemt es sich wahrlich, dass wir Christen dieser unserer Mutter tŠglich einen Blick der dankbaren Gegenliebe schenken und ihr dabei sagen, dass wir sie lieb haben, dass wir ihr dankbar sind und sie mit ihrer mŸtterlichen Hilfsbereitschaft brauchen, vor allem dann, wenn wir in leiblicher und erst recht in seelischer Not sind. Sie mšge dann, wenn wir in Schwierigkeiten und Gefahren geraten sind oder den Vater im Himmel mit unseren SŸnden, Fehlern und NachlŠssigkeiten gekrŠnkt, erzŸrnt oder beleidigt haben, unsere FŸrsprecherin sein.

Fragen wir zuletzt noch, wie sich der tŠgliche Blick des Christen auf Maria Šu§ern kann:

  1. Kšnnte es zu allererst nicht tatsŠchlich wortwšrtlich ein tŠglicher Blick auf ein Marienbild sein, so wie gute, dankbar erwachsene Sšhne und Tšchter das Bild ihrer Mutter, wenn sie nicht mehr auf Erden weilt, in einem Raum der Wohnung an einer ehrenvollen stelle aufstellen und gerne einen Blick auf dieses Bild der Mutter werfen und dabei in Liebe und Dankbarkeit die Erinnerung an sie auffrischen?

Sollten wir Seelsorger nicht viel mehr, als es bisher der Fall war, die Verbreitung schšner, wŸrdiger Bilder Mariens, vor allem ihrer Gnadenbilder fšrdern und die GlŠubigen wieder dazu anhalten, anstelle von Filmdiven, Schšnheitskšniginnen und Pinupgirls das Bild der himmlischen Mutter in ihren Schlafzimmern, in ihren Wohnungen oder auch an Au§enwŠnden ihrer HŠuser oder auch an den Stra§en aufzustellen? Wie war das frŸher in katholischen Gegenden selbstverstŠndlich, dass im Herrgottswinkel ein Kreuz hing und daneben ein Bild Mariens, vor allem ein Bild des unbefleckten Herzens MariŠ. Im vorigen Jahr traf das 1200-Jahr-JubilŠum des II. Konzils von Nicaea (Oktober 787). WŠre das nicht eine sinnvolle Erinnerung an die BeschlŸsse dieses Konzils gewesen? Damals ging es darum, gegen die Bilderfeinde, die aus theologischen MissverstŠndnissen heraus die bildliche Darstellung Christi, seiner jungfrŠulichen Mutter und anderer Heiligen verboten hatten, die recht verstandene Bilder-verehrung in Schutz zu nehmen. Heute wŠre es fast notwendig, sich gegen moderne Bilderfeinde, rationalistisch gesinnte, gemŸtsarme und das GemŸt verachtende  kirchliche Bauherren und Architekten  fŸr die Darstellung Christi und seiner jungfrŠulichen Mutter einzusetzen und gegen alle Bilderfeindlichkeit in Kirchen und Wohnungen daran zu erinnern, dass es nicht blo§ erlaubt, sondern auch Ÿberaus sinnvoll ist - wie der Beschluss des II. Konzils von Nicaea wšrtlich lautet -, dass "genauso wie die Figur des heiligen Kreuzes, so auch heilige Bilder - mšgen sie von Farbe oder aus Stein oder aus sonst einer Materie sein - in den heiligen Kirchen Gottes auf heiligen GefŠ§en und Kleidern, an WŠnden und auf Tafeln, in den HŠusern und auf den Wegen angebracht werden, nŠmlich die Bilder Jesu Christi, unserer lieben unbefleckten Frau, der ehrwŸrdigen Engel und aller heiligen Personen. Je šfter man sie in Abbildungen anschaut, desto mehr werden die Beschauer an die Urbilder erinnert und zu deren Nachahmung angeregt, auch dazu, dass diesen Urbildern Gru§ (Kuss) und Verehrung entgegengebracht werden soll, freilich nicht der Kult der Anbetung, der Gott allein gebŸhrt...Die Ehre, die man dem Bild erweist, geht auf das Urbild Ÿber. Wer anders lehrt, soll, wenn er Bischof oder sonstiger Kleriker ist, abgesetzt, wenn er Mšnch oder Laie ist, exkommuniziert werden." (Harduin IV, 451 ss/ vgl. Wilh. Nyssen, Aufbruch aus dem Ursprung. Das II. Konzil von NizŠa und die Folgen, Luther Verlag Kšln 1988).

Ist nicht die Entstehungsgeschichte des Wallfahrtsortes Kevelaer mit dem kaufmŠnnischen Reisenden und seinem kleinen, unscheinbaren Madonnenbildchen eine Ÿberaus trostvolle BestŠtigung fŸr das Gesagte?

  1.  Hier wird uns auch schon beigebracht, dass der tŠgliche Blick auf ein Madonnenbild nicht der Blick eines €stheten, eines blo§en Kunstkenners auf irgend ein klassisch schšnes Bild der Madonna sein soll, sondern der Blick eines Christen, der aus seinem Glauben an die Heilsfunktion und die Gnadenprivilegien Mariens heraus darum wei§, was ihm und allen Menschen Maria bedeutet.

Dabei wird dieser tŠgliche Blick auf ein Madonnenbild, wenn es der Blick eines glŠubigen Christen ist, ganz von selbst zu einem Gebet zu Maria. Dieses Gebet wird zunŠchst vor allem ein stiller Gru§, dann ein Bitt- oder Dankgebet sein. Vielleicht kennen Sie die nette Anekdote, wie der hl. Bernhard v. Clairvaux eines Tages bei der RŸckkehr vom Papst Eugen II., seinem ehemaligen SchŸler, zurŸck in den stillen, heiligen Bezirk der Zisterze von Tre Fontane in Rom fuori le mura bei dem dort an der Au§enmauer angebrachten Madonnenbild durch seine Gedankenversunkenheit auf den Gru§ an Maria verga§.

Da erklang die Stimme Mariens laut anstelle des vergessenen "Ave Maria" aus dem Munde der Gottesmutter ein "Ave Bernarde" mit dem hinzugefŸgten Tadel: "Verdiene ich heute deinen Gru§ nicht?" Bernhard hat sich das gemerkt.

Der tŠgliche Blick des Christen auf Maria, interpretiert als tŠglicher Gru§ an Maria: Hier steht an erster Stelle der Engelsgru§ des "Ave Maria" vor uns, in welchem wir mit dem Erzengel Gabriel Maria grŸ§en als die Gnadenvolle, als die "KecharitomŽne", die durch und durch Begnadete, die der Herr zu hšchster WŸrde, die je einer Frau zuteilwurde, erwŠhlt hat. Nebenbei sei hier die mir von mehreren Seiten berichtete Beobachtung erwŠhnt, dass heute Kinder nach vier Jahren Religionsunterricht in der Grundschule und weiteren Jahren in der Hauptschule aus der Schule scheiden ohne das "Ave Maria" beten zu kšnnen. Ist das nicht ein beschŠmendes Armutszeugnis fŸr den Religionsunterricht von heute? Dabei haben seit der Zeit Karls des Gro§en und in den folgenden Jahrzehnten verschiedenste Dišzesansynoden gefordert, dass Kinder, erst recht Erwachsene neben dem Glaubensbekenntnis und dem Gebet des Herrn unbedingt auch das ãAve MariaÒ kennen mŸssen, sonst dŸrften sie gar nicht zu den Sakramenten zugelassen werden. 

Beachten wir beim ãAve MariaÒ, wenn es tŠglich als Blick auf Maria gebetet wird, was es uns fŸr unser VerhŠltnis zu Maria zu sagen und zu lehren hat. Wenn man jemand grŸ§t, so tut man es fŸr gewšhnlich nicht blo§ aus Anstand und Hšflichkeit, sondern deshalb, weil man diesen Menschen, den man grŸ§t schŠtzt, ehrt und verehrt und liebt.

Und je mehr ich einen Menschen schŠtze, verehre und liebe, umso herzlicher grŸ§e ich ihn, umso mehr lege ich in diesen meinen Gru§ hinein an Aufmerksamkeit und ZŠrtlichkeit, um diesem geschŠtzten, geliebten Menschen damit zu sagen, wie ich mich Ÿber ihn freue, wie ich ihm gewogen und zugetan bin. So grŸ§en wir im "Ave Maria" tŠglich die jungfrŠuliche Mutter unseres Herrn, um unsere Verehrung und Liebe zu ihr zum Ausdruck zu bringen. Und je mehr wir Maria schŠtzen und lieben, umso mehr werden wir sie grŸ§en, umso šfter, freundlicher und freudiger. Das schšnste Beispiel, wie man Maria grŸ§en soll, gab uns der Erzengel Gabriel. Er hatte vom dreifaltigen Gott den Auftrag bekommen, Maria zu fragen, ob sie einwillige, Mutter des gšttlichen Sohnes zu werden. Heilighoher Auftrag war da einem Engel zuteil geworden. Und ein Auftrag Gottes gilt ganz sicher einem Engel als heiliger Befehl. Aber Befehle kann man so und so ausfŸhren, unfreundlich, mŸrrisch, gleichgŸltig oder froh, bewegt und freudig. Der Engel Gabriel gehorcht und vollfŸhrt den Auftrag. Er hŠtte wohl denken kšnnen: Befehl ist Befehl, aber verstehen kann ich dabei Gott, meinen Auftraggeber schon gar nicht, wenn er sich so tief herablassen will. Gewiss, ich werde den Auftrag ausfŸhren und gehorchen, aber Freude habe ich dabei keine. Ich werde also diesen Auftrag Ÿberbringen. Aber dass ich etwa dieses schlichte, einfache 15jŠhrige MŠdchen in diesem unbekannten, schmutzigen BergstŠdtchen Nazareth dabei grŸ§en soll, ich, ein Engel Gottes, der ich diesem Menschenkind doch unsagbar weit an WŸrde und Rang Ÿberlegen bin? Nein, der Engel Gabriel dachte hier nicht so, wie wir es vielleicht getan hŠtten. Er erkannte mit der VerstandesschŠrfe und Erkenntnisklarheit, wie sie einem Engel eigen ist: Wenn Gott ein Menschenkind zu so hoher WŸrde auserwŠhlt, dann muss Gott dieses Menschenkind unsagbar schŠtzen und lieben, ja, dann muss dieses Menschenkind von der Gnade Gottes so Ÿbervoll sein, dass es etwas ganz ergreifend Schšnes um dieses Wesen sein wird. Gewiss, nur ein Menschenkind ist diese Jungfrau Maria, aber die Gnade, die sie vom ersten Augenblick ihrer Existenz an besitzt und die sie nie auch nur durch den Schatten einer SŸnde verdunkelt hat, muss in ihr etwas wunderbar  Schšnes, strahlendes sein, unsichtbar zwar fŸr die Menschen, sichtbar aber fŸr uns Engel. Und die ErwŠhlung und Berufung zur GottesmutterwŸrde stellt Maria auf so hohe Stufe, dass sie Ÿber uns Engel zu stehen kommt und unsere Kšnigin wird. Darum mag der Entschluss des Engels Gabriel sofort festgestanden sein: Ich will Maria grŸ§en, so freudig und freundlich, so herzlich und froh, wie es sich fŸr dieses reinste und schšnste Menschenkind geziemt.

So eilte der Engel Gabriel nach Nazareth und stand dann plštzlich in jenem Raum, in welchem er Maria daheim wusste. Und er traf Maria - wir kšnnen es uns kaum anders vorstellen - im Gebet, im adventlichen Gebet um den verhei§enen Messias: "Tauet Himmel den Gerechten, Wolken, regnet ihn herab..." Da sah sich Maria umstrahlt von wundersamem Licht. Und schon erklang der Gru§ aus Engelsmund, der von da an nie mehr verstummen sollte: "Ave, gratia plena..."

Eine kurze Verhandlung setzte dann ein. Der Engel richtete die Botschaft Gottes aus...Maria willigte schlie§lich ein, nachdem sie erfahren hatte, dass sie ihre JungfrŠulichkeit trotz der Mutterschaft nicht einbŸ§en solle: "Ecce, ancilla Domini, fiat mihi..." Nun vollzog sich das Wunder der Menschwerdung Gottes. Der Engel aber kniete nieder und betete als erster den menschgewordenen Sohn Gottes unter dem unbefleckten Herzen MariŠ an: "Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt."

Ein freudig froher, ergriffener, ehrfurchtsvoller Abschiedsgru§ und der Engel schied wieder von Maria.

Lernen wir vom Beispiel des Engels Gabriel, wie wir Maria grŸ§en sollen und warum wir sie grŸ§en sollen: Freudig froh, ehrfurchtsvoll und dankbar. GrŸ§en wir sie immer wieder von Herzen und legen wir in unseren Gru§ an Maria wie der Engel Gabriel unsere ganze Hoch-schŠtzung, Verehrung und Liebe fŸr Maria hinein. Und grŸ§en wir in Maria immer wieder den, der sie so hoch begnadet hat, der sie zu so hoher WŸrde erwŠhlt hat, grŸ§en wir in Maria den menschgewordenen Sohn Gottes, der Sohn Mariens werden wollte, um unser Bruder und Freund, unser Heiland und Erlšser zu werden.

(Neben dem "Ave Maria" als dem biblischen Gru§ an Maria sei noch an die schšnen marianischen Antiphonen erinnert, die ebenfalls einmalig schšne Gru§gebete an Maria sind, mit denen wir die jungfrŠuliche Gottesmutter abwechselnd und dem jeweiligen Heilsgeheimnis des betreffenden Abschnittes des Kirchenjahres entsprechend grŸ§en: "Alma Redemptoris mater" in der Advent- und Weihnachtszeit; "Regina coeli" in der Osterzeit und "Salve Regina" in der Ÿbrigen Zeit des Kirchenjahres.)

Es braucht hier nicht ausdrŸcklich daran erinnert , wie der biblische Gru§ an Maria im ãAve MariaÒ dreifach zusammengefŸgt das dreimalig tŠglich morgens, mittags und abends gebetete Gebet des "Engel des Herrn" ergibt und das in fŸnf Dekaden wiederholte "Ave Maria" zur Betrachtung der Rosenkranzgeheimnisse fŸhrt. Wenn Maria in Lourdes und erst recht in Fatima zum tŠglichen Beten des Rosenkranzes aufgefordert hat, so ergibt sich daraus, dass sie selbst also diesen tŠglichen, meditativ gestalteten Blick auf sie im Betrachten der wichtigsten Heilsgeheimnisse, an denen sie so aktiv beteiligt war, wŸnscht.

Ich darf hier an jene Angelus-Ansprache unseres Hl. Vaters wenige Tage nach seiner ErwŠhlung zum Petrusnachfolger erinnern, in der er am 29.Oktober 1978, also vor 10 Jahren, wortwšrtlich sagte: "Der Rosenkranz ist tŠglich mein Lieblingsgebet. Er ist ein wunderbares Gebet, wunderbar in seiner Schlichtheit und in seiner Tiefe. In diesem Gebet wiederholen wir viele Male die Worte, die die Jungfrau Maria vom Erzengel Gabriel und von ihrer Verwandten Elisabeth hšrte. Diesen Gru§worten schlie§t sich die ganze Kirche an..." Kehren wir zuletzt zurŸck zum Ausgangspunkt unserer †berlegungen Ÿber "den tŠglichen Blick des Christen auf Maria". Wenn der bedeutende škumenisch gesinnte evangelische Propst Hans Asmussen einmal die Formel geprŠgt hat: "Man hat den Sohn nicht ohne die Mutter, man hat Christus nicht ohne Maria", weil beide nicht auseinanderdividiert werden kšnnen und dŸrfen, und wenn Gleiches parallel auch fŸr Christus und seine auf den Felsen Petri gebaute Kirche gilt: "Man hat Christus nicht ohne die Kirche", so ergibt sich daraus erst die Wichtigkeit, ja Notwendigkeit des tŠglichen Blickes des Christen auf Maria fŸr die Echtheit und Lebendigkeit seiner Verbundenheit mit Christus in der Kirche und Ÿberhaupt fŸr das echte Christ-sein; und das II. Vatikanische Konzil hat im 8.Kapitel seiner dogmatischen Konstitution Ÿber die Kirche "Lumen gentium" recht, wenn es da schon in der †berschrift "Ÿber die selige, jungfrŠuliche GottesgebŠrerin im Geheimnis Christi und der Kirche" darauf hingewiesen hat, dass wir Maria nur integriert in das Christus- und Kirchengeheimnis sehen sollen. So ist es eigentlich im katholischen Raum immer verstanden worden. Dort, wo der Christ auf Maria nicht verga§, dort blieb er christglŠubig katholisch und ein lebendiges Glied im mystischen Leib Christi, an dem Christus das Haupt, Maria aber das mŸtterliche Herz ist.